25. Januar 2025
Skifliegen in Oberstdorf und Skiflug-Siegerjubiläum in Bischofsgrün

Wenn vom 24. bis 26.01.2025 in Oberstdorf das erste Weltcup-Skifliegen der Saison stattfindet, dann kann gleichzeitig im Fichtelgebirge ein ehemaliger Skiflugsieger ein Jubiläum feiern. Vor 60 Jahren, im Jahr 1965, gewann Skispringer Henrik Ohlmeyer, der bis heute noch erfolgreichste oberfränkische Skispringer aus den Reihen des SC Bischofsgrün, die Skiflugwoche am Kulm in Bad Mitterndorf. Was damals noch als Skiflugwoche bezeichnet wurde, das wären heutzutage die Weltmeisterschaften, doch diese gab es damals noch nicht in ihrer Namensbezeichnung.

Als Mitglied des SC Bischofsgrün nahm er bereits im Alter von elf Jahren an Springen von der Ochsenkopfschanze (damals K-Punkt: 56 m) teil. Nach einer kurzen Zeit als Nordischer Kombinierer, in der er Zweiter bei der bayerischen Jugendmeisterschaft wurde, kehrte er mit 13 Jahren als Spezialspringer auf die Schanzen auch außerhalb seines Heimatortes zurück und erlangte 1959 als jüngster Teilnehmer die Titel der fränkischen, bayerischen und deutschen Jugendmeisterschaft.
1964 sprang Ohlmeyer auf der großen Kreuzbergschanze in der Rhön einen wegen Wettbewerbsabbruch nicht gewerteten Schanzenrekord von 74 Metern. Im Anschluss wurde er dann auf der kleinen Kreuzbergschanze mit 38,5 und 40 Metern abermals bayerischer Jugendmeister. Der damalige Nationaltrainer Ewald Roscher wurde auf Ohlmeyer aufmerksam und holte ihn zu Lehrgängen. Ab 1964 war er Mitglied der deutschen Nationalmannschaft, konnte sich aber für eine Teilnahme an den Olympischen Winterspielen in Innsbruck und Seefeld noch nicht qualifizieren. Als damals 19-jähriger gewann er 1965 die Gesamtwertung der viertägigen Skiflugwoche im österreichischen Bad Mitterndorf, mit einer Bestweite von 140 Metern. Der Skisprungweltrekord lag damals noch bei 144 m und einen Skiweltcup gab es noch nicht. Das waren Weiten, die heute schon bei „normalen“ Weltcupskispringen durchaus üblich für die besten Athleten sind.
Vor 60 Jahren lag Henrik Ohlmeyer auf Weltrekordkurs. Bereits den ersten Trainingssprung mit einer hohen Flugkurve brach er jedoch ab und landete auf 143 m, dabei stürzte er kopfüber und bäuchlings in den Schnee, blieb jedoch unverletzt. Henrik Ohlmeyer holte sich unbeeindruckt in den Tagen danach den größten Erfolg seiner Karriere. Den Weltrekord musste er jedoch dem Thüringer Peter Lesser überlassen, der diese Rekordweite von 145m im Training erreichte. Für den Gesamterfolg nach zwei Wettbewerbstagen wurde der Bischofsgrüner mit einem Schwarzweißfernseher und einem Paar neuer Skisprungski belohnt. Heute erhält der Sieger eines Qualifikationsspringens 3.000 CHF und der Tagesgewinner eines Weltcupspringens 10.000 CHF, danach sind die Prämien nach Weltcuppunkten gestaffelt und so bekommt sogar der 30te noch 100 CHF. Nach dem Erfolg Henrik Ohlmeyers ging es die nächsten beiden Jahrzehnte mit der Jagd nach neuen Skiflugweltrekorden recht langsam voran. Erst 1980 erreichte Armin Kogler (AUT) die 180m-Marke in Oberstdorf, 2001 dann Toni Nieminen (FIN) die 201m in Planica (1994). Anfang des Jahrtausends kam es dann durch Schanzenumbauten noch zu weit größeren Weiten. Der derzeitige Skiflugweltrekord von 253,5m wurde von Stefan Kraft (AUT) im Jahr 2017 in Vikersund (NOR) erreicht. Eine Weite, die sich Henrik Ohlmeyer in seiner eigenen aktiven Zeit nicht vorstellen konnte. Doch nicht nur im Skifliegen war Henrik Ohlmeyer sehr erfolgreich. Bereits 1964 startete er mit 17 Jahren erstmals bei Vierschanzentournee und belegte in der Gesamtwertung den zehnten Platz. Zwei Jahre später sogar den fünften Rang. Insgesamt acht mal startete der Bischofsgrüner bei der schon damals populärsten Skisprungserie und war dabei fünf mal bester westdeutscher Springer. Henrik Ohlmeyer startete bei Weltmeisterschaften 1966 in Oslo (NOR) und 1970 in Strbske Pleso (CZE) und bei den Olympischen Spielen 1968 im französischen Grenoble. Gleich zwei mal konnte er die Gesamtwertung des Kongscup, den heutigen OPA-Alpencup gewinnen.
Doch bereits vorher 1966, nur ein Jahr nach seinem größten Erfolg, da hatte er mit ersten Verletzungen und Knieoperationen zu kämpfen, die ihn in der Folge zu einem frühen Karriereende mit gerade mal 25 Jahren zwangen. Henrik Ohlmeyer kann mitfühlen mit den aktuellen deutschen Skispringern, die nach schweren Verletzungen einen langen Weg zurück auf die Schanzen vor sich haben und wo ein Anknüpfen an bisherige Erfolge sehr schwer ist sein wird, wie derzeit etwa für die Olympiasieger und Weltmeister Andreas Wellinger und Severin Freund, wobei gerade die beiden Deutschen zeigten, dass es gelingen kann.
In seiner eigenen aktiven Zeit hatte Henrik Ohlmeyer eine so gut wie nicht vorhandene medizinische Betreuung durch den Skiverband – das ist das Einzige, worüber sich Henrik Ohlmeyer heute noch so richtig ärgern kann: „Aber ich freue mich gleichzeitig, dass die medizinische Betreuung der heutigen Sportler nahezu optimal ist. Knieverletzungen bedeuten heute kein Karriereende mehr.“ Vieles sei bei ihm selbst noch lange unentdeckt geblieben: „Zur WM in Oslo reiste ich schon mit einem ersten unbehandelten Meniskusschaden.“ Einzig durch die erste berufliche Tätigkeit beim Bundesgrenzschutz in Bayreuth habe er mit dem dortigen Sportarzt Dr. Ernst Struck diese medizinische Lücke sehr gut ausgleichen können. „Früher fuhren Sportler alleine mit ihren Trainern zu den Wettkämpfen“, erzählt Ohlmeyer. „Ganz anders als heute, da ist der Betreuerstab mit materieller und medizinischer Betreuung oft größer als das Sportlerteam.“ Nach dem frühen Karriereende hat Henrik Ohlmeyer sich zunächst auf seine Ausbildung als Werkzeugmacher konzentriert, und als solcher lange in der Technischen Zentrale der Uni Bayreuth gearbeitet. Dort erzielte er weitere Erfolge, die etwa mit dem Emil-Warburg-Preis der Universität ausgezeichnet wurden.
Bereits kurz nach der eigenen Sportlerkarriere engagierte er sich auch für den regionalen und bayerischen Skisprungnachwuchs. Einer seiner bekanntesten damaligen Aktiven ist der heutige Teammanager Skisprung und Nordische Kombination beim Deutschen Skiverband, Horst Hüttel (WSV Weißenstadt) aus Wunsiedel. Das Skispringen lässt den Jubilar auch heute noch nicht los. Seine täglichen Spaziergänge beinhalten immer auch einen Abstecher in die Ochsenkopf-Schanzenarena in seinem Heimatort. Wenn es dann mal etwas länger dauert, weis seine Frau Christa genau, dass Henrik Ohlmeyer dort mal wieder hängen geblieben ist, bei den Baumaßnahmen, Neuanschaffungen oder beim Nachwuchstraining. Dass es auch nach der Pandemie mit dem Nachwuchs in seinem Heimatverein weiter aufwärts geht, das freut Ohlmeyer besonders. Inzwischen wurde sogar ein Nachwuchsmaskottchen im Verein, der „Henner“ nach ihm benannt, woran auch er seinen Spass hat. Besuche bei Großveranstaltungen wie in Oberstdorf würde er schon noch gerne machen, doch er verfolgt die heutigen Veranstaltungen doch lieber am heimischen Fernsehgerät. Klar würde er doch noch viele alte Weggefährten treffen und er selbst ist ja auch bei der jüngeren Generation kein Unbekannter. Doch die „Ehemaligen“ treffen sich inzwischen auch bei anderen Gelegenheiten, wie etwa einem Treffen am Pfingstsamstag 2024, wo er erstmals seit Jahrzehnten auf seinen direkten Konkurrenten aus der DDR traf, Peter Lesser, der ihm vor 60 Jahren den Weltrekord wegschnappte. Inzwischen gab es im Oktober ein weiteres großes Treffen erfolgreicher Skispringer und Skiflieger in Oberwiesenthal, das eine Fortsetzung am Pfingstsamstag 2025 in Bischofsgrün finden wird. Dann übrigens wieder mit einem Jubiläum, denn 1990 trafen sich die deutschen Skispringer aus Ost und West bereits weit vor der politischen Vereinigung zur Skispringerwiedervereinigung in Bischofsgün. Henrik Ohlmeyer kann´s kaum erwarten und blickt gespannt voraus wie auf das nächste Springen oder Skifliegen am Wochenende.
Fotos: Archiv SCB/KP
